«Unsere kirgisische Martha» aus Tübingen

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In der kleinen Stadt Tübingen im Süden von Deutschland befindet sich eine der ältesten Universitäten des Landes. Fast jeder, der aus Kirgisistan hierhin zum Studieren kommt, kennt Martha Stirner - eine Frau, die viele Jahre in Kirgisistan gearbeitat hat und bei der Gäste immer willkommen sind. Tübinger Studierende aus Kirgisistan nennen sie "unsere kirgisische Martha" und sagen, dass ein einziger Mensch manchmal mehr zur Entwicklung der Freundschaft zwischen den Völkern beitragen kann, als große diplomatische Vertretungen es schaffen.

Alle Freunde von Martha haben Kirgisistan bereits besucht, denn jedes Jahr macht sie große Präsentationen über das Land, die beim deutschen Publikum auf großes Interesse stößt.

Ich habe mit Martha Stirner über Ihre Lebenserfahrung gesprochen und darüber, warum sie nun schon seit 20 Jahren jedes Jahr nach Kirgisistan zurückkehrt.

 

Марта Штирнер – немецкая учительница, «народный дипломат» и друг Кыргызстана

— Wo wurden Sie geboren?

— Ich wurde 1945 Ende Mai, unmittelbar nach dem 2.Weltkrieg, in einem kleinen Dorf im Nordschwarzwald geboren.

Das Dorf heißt Berneck und gehörte zur französischen Besatzungszone. Ich wurde im Schulhaus, meine Eltern waren beide Lehrer, als Hausgeburt geboren. Der Arzt musste ins Dorf kommen, da meine Mutter wegen Ausgangssperre das Dorf nicht verlassen durfte.

 

— Wer waren Ihre Eltern?

— Meine Eltern waren beide Grund- und Hauptschullehrer. Wir sind sieben Kinder. Ich bin das Jüngste. Unsere Familie hält sehr eng zusammen.

Die Grundschule und das Gymnasium habe ich in Altensteig im Nordschwarzwald besucht. Das Gymnasium war eine Jugenddorf Christopherusschule. Ich besuchte dieses Internat als externe Schülerin. Diese Schule war für die damalige Zeit etwas besonderes. Wir genossen eine relativ freie Erziehung mit vielfältigen sportlichen und musischen Angeboten. Diese Schule bot mir auch einen Schüleraustausch über den ICYE (International Christian Youth Exchange) in den USA an. Ich verbrachte 1 Jahr in einer amerikanischen Familie und in einer high school in Portland/Oregon.

Unmittelbar nach meiner Rückkehr gebar ich einen Sohn. Seinen Vater kannte ich schon vor meinem Austauschjahr aus der Schule. Wir lebten dann in der Universitätsstadt Tübingen in Baden-Württemberg.

 

— Was haben Sie studiert und beruflich gemacht?

— Ich habe zwei Berufe. Zuerst habe ich Bibliothekswesen für wissenschaftliche Bibliotheken studiert. Als Diplombibliothekarin leitete ich ein paar Jahre die Bibliothek am Deutschen Institut für Fernstudien in Tübingen.

Dieser Beruf hat mir gut gefallen. Aber ich bin neugierig und habe nocheinmal studiert und zwar an der Pädagogischen Hochschule in Reutlingen auf das Lehramt an Grund- und Hauptschulen. Bis ich Ende 40 war arbeitete ich als Grundschullehrerin in einem Dorf in der Nähe von Böblingen in Baden-Württemberg. Nun wollte ich bevor ich pensioniert werde nocheinmal etwas Neues ausprobieren.

1993 las ich über ein neues Programm welches Lehrer/innen in die ehemaligen sowjetischen Staaten entsendet. Ich bewarb mich und wurde auch genommen. Beim Auswahlgespräche wurde den Bewerbern eine bestimmte Stelle angeboten und die musste man nehmen oder man fiel raus aus der Bewerbung. Mir wurde eine Stelle in dem Dorf Dschany Pachta in KIrgisistan angeboten.

Ich wusste nicht genau wo Kirgisistan liegt. Also erbat ich mir 3 Tage Bedenkzeit. Zuhause war mein erster Gang in die Stadtbibliothek um in einem Atlas Kirgisistan aufzusuchen.

Ich habe mich mit einer Freundin besprochen, die ganz begeistert war und mir zugesprochen hatte.

 

— Wussten Sie damals überhaupt nichts über das Land?

— Ich hatte schon viele Erzählungen von Aitmatov gelesen. Aber geographisch und historisch wusste ich so gut wie nichts über Kirgisistan. Ich sah dann im Atlas, dass Kirgisistan ein Hochgebirgsland ist und mitten in Zentralasien liegt. Dadurch wurde ich immer neugieriger und es wurde mir ziemlich schnell klar: ich will dorthin! Ich habe zugesagt!

Mit Hilfe einer Bekannten habe ich mir das kyrillische Alphabet und seine Aussprache sowie ein paar wichtige russische Wörter eingeprägt. Wir waren fünf Kollegen für Kirgisistan. 4 Männer und eine Frau.

Unsere Koordinatorin empfahl uns ca 5 000 Dollar in bar mitzunehmen. In bar deswegen, weil in dieser Zeit gab es noch nicht die Möglichkeit in Kirgisistan mit einer visa card oder einer anderen Kreditkarte bei einer Bank Geld abzuheben oder traveller checks einzulösen. Ich versteckte dir Dollarscheine am ganzen Körper. In Frankfurt am Flughafen war es dann schon etwas peinlich, dass ich bei der Kontrolle die Hosenbeine hochschieben musste und unter den Fußsohlen versteckt Scheine hervorholte.

 

— Wie waren Ihre ersten Tage in Bischkek?

— Alle Programmlehrer/innen waren in der 1.Woche zusammen in Bischkek. Wir bekamen Russischunterricht. Eine Lehrerin und eine Dolmetscherin bemühten sich uns etwas Russisch beizubringen. Unsere Erwartungen an den Russischunterricht und der Inhalt und die Methode des uns gebotenen Unterrichts klaffte ziemlich auseinander. Wir verstanden nichts! Wir wollten eigentlich nur einfache Sätzchen und Wörter üben, damit wir uns im Alltag etwas ausdrücken hätten können. Wir konnten uns nicht durchsetzen und wurden deshalb auch immer alberner im Unterricht. Wir haben kaum etwas gelernt in dieser Woche.

An einem Tag machten wir alle einen Ausflug in "mein "Dorf, um meine Umzugskisten hinzubringen und damit ich meine Wohnung und meine Rektorin kennenlernen konnte.

Dschany Pachta liegt etwa 40 km nord-westlich von Bischkek entfernt Richtung Kasachstan. Dschany Pachta war zur Sowjetzeit ein blühender Sowchos, der vorallem Saatgut produzierte. Es wohnten dort vorallem deutschstämmige Menschen, die entweder in der Stalinzeit dorthin deportiert wurden, oder später aus Sibirien und anderen sowjetischen Staaten hinzogen.

1994 kurz nach der Unabhängigkeit 1991 war die Situation sehr schwierig. Nichts funktionierte mehr. Es gab kein Benzin, sodass der Sowchos nicht mehr arbeitete. Der Maschinenpark stand still. Die Felder konnten nicht bebaut werden. Die Versorgung war äußerst schwierig. Oft kein Strom am Abend. Die Bäckerei schloss. Kein Lohn wurde ausbezahlt. Das Krankenhaus arbeitete nur reduziert. Die meisten Deutschstämmigen sind schon nach Deutschland ausgesiedelt und haben ihre Häuser oft unter ihrem Wert verkauft.

Mir wurde eine 1-Zimmerwohnung in einem Altenheim, das die ehemalige DDR für das Dorf gebaut hatte, kostenlos zur Verfügung gestellt. Die Wohnung war völlig leer. Nach und nach konnte ich über hilfsbereite Kolleginnen und mit Hilfe der Schule das Nötigste zusammentragen. Die Ankunft war schon etwas desillusionierend.

Gleich kurz nach meiner Ankunft kam mein Sohn mit seiner Frau, um zu sehen wo ich gelandet bin. Das war für mich emotional sehr wichtig.

 

Первая квартира в селе Джаны-Пахта. Нам сказали взять с собой 5 тыс. долларов, поскольку было неизвестно, как скоро мы сможем съездить домой. На фотографии мы размышляем с сыном: куда спрятать деньги?
Das war in meiner ersten Wohnung in Dschany Pachta. Uns wurde geraten 5 000$ mitzunehmen. Wir wußten nicht, ob wir während dem ersten Jahr die Gelegenheit bekommen würden nachhause zu fliegen. Mit meinem Sohn Henning überlegten wir, wo wir die Dollarscheine verstecken könnten.

 

— Das Leben in Kirgisistan unterscheidet sich sehr stark vom Leben in Deutschland. War die Angewöhnung schwierig für Sie?

— Ich fand es nicht extrem schwierig. Es war natürlich eine Umstellung. Aber die Menschen waren sehr hilfsbereit und freundlich zu mir. Im Rückblick möchte ich diese Anfangszeit auf keinen Fall missen. Ich habe viele gute Erinnerung an diese Zeit.

In der Schule unterrichtete ich Deutsch für die Kinder der Deutschstämmigen. Sie konnten meistens fast kein Deutsch, sondern mussten die Sprache wie eine Fremdsprache lernen. Am Abend unterrichtete ich die letzten deutschsprachigen Erwachsenen bevor sie dann aussiedelten. Damals musste zumindest einer der Familie nachweisen, dass er sich mit Deutsch verständlich machen konnte und auch selbst Deutsch verstand. Das war noch unter der CDU Regierung von Kohl. Später wurde dies verschärft, sodass jeder der Familie eine Sprachprüfung ablegen musste. Dies wurde unter der rot/grünen Regierung ab 1998 festgesetzt.

Aus den Familien, die ihre Aussiedlungspapiere schon hatten kamen meistens nur die Frauen zum Unterricht. Sie waren sehr lerneifrig.

Es handelte sich um eine Landbevölkerung: Melkerinnen, Landarbeiterinnen, die sich schwer taten eine Sprache zu lernen. Es war Herbst und es wurde immer früher dunkel und es wurde auch kalt. Anfangs unterichtete ich in der Schule. Jedoch fehlten immer wieder, die von mir gekauften Glühbirnen, sodass es dunkel war. Auch wurde es kalt, da die Schule nicht beheizt wurde.

Nachdem bei mir in der Parterrewohnung eingebrochen wurde und ich mich stark gemacht hatte, damit mir im 1.Stock eine 2 Zimmer Wohnung überlassen wurde, habe ich den größeren Raum mit Tafel und Tischen und Bänken aus der Schule als Unterrichtszimmer eingerichtet. Hier hatte ich alles Unterrichtsmaterial und Anschauungsmaterial zur Hand, es gab meistens Strom und vorallem die Heizung funktionierte. Nur musste der Unterricht früh beginnen, da die Frauen noch das Vieh versorgen mussten und vorallem wollten sie eine Soap im Fernsehen "Monte Rosa" nicht versäumen, die das ganze Jahr über lief.

Meine Schülerinnen haben mich versorgt mit Fleisch, Eier, Milch, Sahne, Gemüse und Obst. Auf dem Basar in diesem Dorf gab es fast nichts mehr zu kaufen.

Einmal in ein oder zwei Wochen fuhr ich mit dem Rucksack nach Bischkek mit dem Bus. Dort holte ich meine Post, besuchte meinen Kollegen Johannes und kaufte auf dem Osch Basar ein.

 

— Das war bestimmt eine schwierige Umstellung. Wollten Sie nicht aufgeben und zurück nach Deutschland fahren?

— Nach einem Jahr bat ich darum in die Hauptstadt Bischkek versetzt zu werden. Es war mir auf Dauer doch zu einsam. Die Deutschstämmigen, die ich unterrichtete siedelten aus. Ich hatte kein Radio, kein Telefon und keinen Fernseher. Abends habe ich Tagebuch oder Briefe geschrieben und dabei immer Musik über mitgebrachte Cassetten gehört. Ich habe Russisch gelernt. Regelmäßig konnte ich bei einer Freundin das Dampfbad genießen und anschließend Tee trinken. Reihum habe ich befreundete Familien besucht und da es abends stockdunkel im Dorf in den Straßen war, wurde ich immer sicher nach Hause begleitet. Das Dorf konnte den Strom für die Straßenlaternen nicht mehr bezahlen.

Im Sommer 1995 wurde ich dann nach Bischkek versetzt. Ich habe das erste Jahr an dem Gymnasium Nr 80 Deutsch unterrichtet. Schon im 2.Halbjahr wurde ich gefragt, ob ich am Erziehungsministerium bei einem Umschulungsprogramm für Lehrer/innen, die sich für Deutsch als Fremdsprache interessierten mitzuarbeiten. Sie unterrichteten Biologie, Physik, Russisch und wollten in Zukunft Deutsch als Fremdsprache unterrichten. Ich unterrichtete die Gruppen in Methodik des DaF und Landeskunde. Diese Arbeit machte mir großen Spaß, sodass ich ab 1996 nur noch an diesem Programm arbeitete. Im Zuge dieser Tätigkeit wurde meine Stelle auch zu einer Landesprogrammlehrstelle von Baden-Württemberg umgewandelt.

Bei dieser Tätigkeit bin ich bis zum Ende meines Aufenthaltes im Sommer 1999 in Kyrgyzstan geblieben.

 

— Was hat Sie in Kyrgyzstan gehalten?

— Das hat mehrere Gründe. Zum einen interessierte mich meine Arbeit. Es war befriedigend zu wissen, dass eine kleine Gruppe Frauen mit dieser Ausbildung eine konkrete Chance für eine bessere Anstellung in einer Schule bekommen konnte. Zum anderen interessierte mich die Entwicklung Kirgisistans seit der Unabhängigkeit 1991. Es ist ein postsowjetischer Staat und es gab in allen Bereichen der Gesellschaft Übergangsschwierigkeiten. Dann knüpfte ich in all den Jahren Freundschaften,die ich pflegen wollte. Nicht zuletzt war ich jeden Sommer mit einem russischen Bergführer und Freunden in den Bergen. Er wusste genau wo ich schon war und hat jedesmal einen anderen Ort ausgesucht, sodass ich wirklich vorallem im Norden Kirgisistans sehr viel gesehen habe. Wir waren immer mit Pferden, Zelt und Rucksack unterwegs und das hat mir sehr gut gefallen. Anatolij kannte die Berge Kirgisistans sehr gut. Das ist auch nötig, denn die Pfade sind nicht ausgeschildert und es gibt oder gab keine Wanderkarten.

 

Горный проводник Анатолий, с которым мы путешествовали по Кыргызстану
Der Bergführer Anatolij. Meist hatten wir für die Rucksäcke ein Pferd dabei. Auf dem sind wir auch durch die Bergbäche geritten

 

— Viele ihrer Freunde waren auch in Kirgisistan und zwar nicht einmal, sondern mehrmals.

— Meine Freunde haben mich regelmäßig im Sommer hier besucht und wir haben jedesmal eine Bergtour gemacht. Sie waren immer sehr begeistert von den Menschen hier und der gigantischen Landschaft.

Seit meiner Pensionierung 2009 werde ich vom "Senior Expert Service" eine Stiftung der deutschen Wirtschaft immer wieder nach Kirgisistan entsandt. Und zwar halte ich dann für Lehrerinnen der Deutschen Sprache an der Slawischen Universität und an der Nationalen Universität Seminare ab im Bereich Methodik des DaF (Deutsch als Fremdsprache) -Unterrichts.

 

 

— Nach Ihrer ersten Ankunft 1994 sind über 20 Jahre vergangen. Welche Veränderungen haben Sie in Kyrgyzstan beobachtet? Was hat sich am meisten geändert?

— Zunächst mal städtebaulich hat sich viel verändert. In Bischkek selbst wurden im Zentrum und nicht nur da richtig hohe Hochhäuser gebaut. Man erzählte mir, dass dies nicht unproblematisch ist, da sie schnell hochgezogen oft nicht den Sicherheitsstanddarts entsprechen würden. Die Straßen wurden saniert und durch die Ariks (ein Netz von Wassergräben durch die Stadt ) fließt wieder Wasser, was besonders im Sommer sehr angenehm für die Luft ist. Die vielen kleinen wilden Basare sind verschwunden und zentralisiert in wenigen sehr großen Basaren.Es gibt jetzt wunderbare Restaurants mit hervorragendem Essen. Der Verkehr hat ungeheuer zugenommen.

Heute findet man in jedem Dorf eine Mosche. Das gab es früher nur in den großen Städten wie Osch oder Bischkek.

Die soziale Schere reich und arm geht weiter auseinander. Es herrscht noch immer eine große Arbeitslosigkeit. Viele Junge sind Arbeitsemigranten in Russland, schicken Geld zu den Familien nachhause. Sie lassen aber auch häufig ihre Kinder bei den Großeltern und besuchen Kirgisistan einmal im Jahr. Das ist für die Familien schlimm.

Die Familienmitglieder sind verstreut auf mehrere Länder und sehen sich nur selten. Viele der jungen Leute streben einen Aufenthalt in westlichen Ländern an und häufig kehren sie nicht zurück.

Die medizinische Versorgung ist für einige, die es sich leisten können eine Privatklinik oder -praxis aufzusuchen besser geworden. Für die andern, die sich die benötigte Medikamente und den privat zu bezahlenden Arzt nicht leisten können ist es schwierig geworden.

Ebenso die Ausbildungschancen sind nicht mehr dieselben. Es gibt jetzt vermehrt private Schulen und Universitäten, die oft besser ausgebildete Lehrkräfte angestellt haben, da deren Verdienst hier höher ist. Auch die schulische Ausstattung ist bei weitem besser als an den staatlichen Einrichtungen.

 

— Man spricht sehr oft über die geheimnisvolle russische Seele, die Deutschen haben auch ihre Besonderheiten und die Kirgisen auch. Haben Sie die kirgisische Seele verstanden, was für Menschen wir sind?

Ich finde diese Frage immer sehr schwierig zu beantworten. Zum einen gibt es hier wie dort sehr unterschiedlich Charaktere und eine platte Verallgemeinerung mag ich nicht.

Trotzdem denke ich sagen zu dürfen, dass die Familienzusammengehörigkeit in Kyrgyzstan intensiver ist. Es ist ein Muss sich gegenseitig zu helfen, auch materiel. Oft und besonders in den Dörfern leben die Familien mit vielen Kindern jung und alt unter einem Dach. Auch werden die Alten bis zum Tod in der Familie betreut.

Ich habe die kirgisischen Menschen immer als sehr freundlich, hilfsbereit und sanft erlebt. Hektik ist ihnen fremd. Auch scheinen sie immer Zeit zu haben, wenn man sie trifft oder sie besucht.

In Kirgisistan leben die jungen Leute lange in ihren Familien oft bis zur Heirat oder oft auch noch darüberhinaus.

 

Ja das ist mir in Deutschland sofort aufgefallen, dass junge Leute hier sehr früh selbständig sind und sie verlassen ihre Familie sofort, zu Beginn ihres Studiums.

Ja hier in Deutschland verlassen die Jungen ihr Elternhaus für gewöhnlich nach der Schule und zu Beginn des Studiums oder einer Ausbildung. In Bischkek konnte ich nicht beobachten, dass die Studenten in Wohngemeinschaften leben. Sie leben noch in ihren Familien oder bei Verwandten in Bischkek.

 

Wenn man nach Deutschland kommt, sieht man sofort die Ordnung, was man in Kirgisistan nur in wenigen Bereichen finden kann. Selbst viele Kirgisen erklären, dass diese Unordnung sehr viel mit ihrer nomadischen Kultur zu tun hat. Man hat an einem Ort gewohnt, und wenn es nicht mehr bewohnbar war, sind sie weitergezogen. Liegt das wirklich an der Natur der Menschen? Warum klappt es in Deutschland überall, in jeder Sphäre Ordnung zu schaffen und in Kirgistan nicht?

Ich denke schon, dass es auch etwas mit der kirgisischen Nomadenkultur zu tun hat. Jedoch sind die Kirgisen ja nur Halbnomaden. Sie ziehen Ende Mai an ihren Platz (Shailoo) ähnlich den Almen im Allgäu. Nur eben leben sie in wunderschönen Jurten in den Bergen und kommen im Herbst wieder in ihr Dorf, wo sie in festgebauten Häusern leben.

Ich denke dass diese Unsystematik oder Unordnung aber auch etwas mit der Erziehung besonders in der Schule oder an der Universität zu tun hat. Es hat mich immer befremdet wie die Aufschriebe von den Studenten gemacht wurden. Oft dachte ich, dass man in diesem Bereich unbedingt etwas tun sollte.

Oder denkt man an das bei uns schon über Jahrhunderte entwickelte Handwerk und die gründliche Ausbildung in den Berufen, dann sieht man schon einen gewaltigen Unterschied.

Andererseits hat diese Unsystematik auch etwas Sympatisches an sich. Die Menschen sind Meister im Improvisieren und Reparieren. Der Perfektionismus, der bei uns in Deutschland weit verbreitet ist bis in die persönlichsten Bereiche, konnte ich in Kirgisistan nicht beobachten. Das habe ich als sehr entspannend empfunden.

 

 

Sie helfen Kirgisistan auch mit karitativen Projekten. Was sind das für Projekte?

Das letzte war ein Projekt für zwei verschiedene Kindergärten. Ich knüpfte die Verbindung zu einer Initiative in der Nähe von Stuttgart. Sie nennt sich KuKuK Kunst, Kultur und Konzeption. Es sind Künstler für den öffentlichen Raum, Pädagogen, Architekten u.a., die Spielplätze für Kinder im deutschsprachigen Raum, aber auch weltweit für Kinder und Jugendliche konzipieren und mit Naturmaterialien und ästhetisch sehr ansprechend und die Kreativität fördernd entwickeln. Ich gewann den Premierminister Kirgisistans als Schirmherrn. Das machte von der Logistik her manches einfacher. So bekam ein Behindertenkindergarten "Nadjeschda" in Bischkek einen Spielplatz und ein staatlicher Kindergarten in Tamtschi am Issik Kul einen. Das war ein sehr befriedigendes Projekt.

 

Детский сад в Тамчы на Иссык-Куле
 Der Kindergarten in Tamchy am Issik Kul See.

 

Sie haben sehr lange in Kirgisistan unterrichtret. Welche Probleme sehen sie im Bildungssystem?

Ich war immer an staatlichen Einrichtungen. Sie sind erheblich dürftiger ausgestattet als die privaten Schulen und Universitäten. Dies fängt bei der zu kleinen nicht gut zu beschreibenden Tafel an. Bis zum fehlenden Projektor oder limitierter Kopiermöglichkeit. Auch das Unterrichtsmaterial ist eher bescheiden.

Noch immer ist Frontalunterricht üblich. Kommunikativer Unterricht ist sehr selten.

 

Das Inteview wurde geführt von Alina Kenzheeva.

Korrektur gelesen von Martha Stirner und Irina Terner.

 

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